UPOV: Wenn für den Tausch von Saatgut Gefängnis droht

Medienmitteilung der Schweizer Koalition Recht auf Saatgut

Bern, 2. Dezember 2022 – Vertretende von sieben* Schweizer Organisationen haben heute auf dem Bundesplatz in Bern gegen den Internationalen Verband zum Schutz von Pflanzenzüchtungen (UPOV) protestiert. Das UPOV-System kriminalisiert Bäuerinnen und Bauern auf der ganzen Welt, wenn sie ihr Saatgut wiederverwenden. Die Schweiz verlangt von den Handelspartnern die Umsetzung der UPOV-Regeln im Rahmen ihrer Handelsabkommen. Ein parlamentarischer Vorstoss soll dieser unhaltbaren Praxis ein Ende bereiten.

Als Häftlinge verkleidet, haben heute Aktivist:innen diverser Schweizer Organisationen auf dem Bundesplatz protestiert. Sie stehen sinnbildlich für alle Bäuerinnen und Bauern, welche durch die UPOV-Regeln und das patentähnliche geistige Eigentumsrecht auf Saatgut kriminalisiert werden. Die Aktion ist Teil eines weltweiten Protestes gegen UPOV und die Monopolisierung von Saatgut.

Die Aktivist:innen haben dem Parlament die Forderung übergeben, dass die Schweiz in ihren Handelsabkommen künftig auf eine UPOV-Klausel verzichtet. Nationalrat Nicolas Walder hat die Forderung entgegengenommen und wird mit Nationalrätin Christine Badertscher nächste Woche eine parlamentarische Initiative einreichen: Die inakzeptable Forderung nach UPOV soll aus Freihandelsverträgen gestrichen werden. Die Handelspartner sollen die Freiheit behalten, Saatgutgesetze einzuführen, welche ihren nationalen Verhältnissen und Anforderungen entsprechen, die bäuerlichen Rechte achten und die Ernährungssouveränität unterstützen.

Die jahrhundertalte Praxis von Bäuerinnen und Bauern, das auf den eigenen Feldern erzeugte Saatgut aufzubewahren, zu vermehren, wiederzuverwenden, zu tauschen oder zu verkaufen ist ein Grundpfeiler der Ernährungssouveränität. Sie ist für die Ernährungssicherheit in den Ländern des Südens unabdingbar. Das bäuerliche Saatgutsystem garantiert die Versorgung mit Saatgut und ist zentral für die Erhaltung und Weiterentwicklung der Vielfalt unserer Nutzpflanzen. Deshalb ist das Recht auf dessen freie Verwendung auch in der UNO-Deklaration über die Rechte von Kleinbäuerinnen und Kleinbauern (UNDROP) und im Internationalen Saatgutvertrag der FAO verankert worden.

Genau dieses Recht wird durch die UPOV-Regeln zu einer kriminellen Handlung: Sie verbietet den Tausch und das Weiterverkaufen von geschütztem Saatgut, welches man auf dem eigenen Feld erzeugt hat. Auch die Wiederverwendung ist oft untersagt oder mit Zahlungen verbunden. Ghana, das neueste UPOV-Mitglied, sieht sogar eine Gefängnisstrafe von mindestens 10 Jahren vor. Ein elementares Recht wird zur kriminellen Handlung.

Die Schweiz gemeinsam mit der EFTA** verpflichten in den Handelsabkommen die Partnerländer dazu, die UPOV-Regeln umzusetzen. Dies ist im Falle der EFTA-Staaten geradezu zynisch, da Liechtenstein die UPOV-Regeln gar nicht umsetzt. Norwegen setzt sie in einer abgeschwächten Form um, so dass ihre Bäuerinnen und Bauern mehr Freiheiten haben. Selbst die Schweiz hat die Regeln so interpretiert, dass sie dem UPOV-Standard nicht genügen. Die EFTA verlangt von ihren Handelspartnern somit strengere Gesetze, als sie selbst bereit sind umzusetzen. Das nächste Abkommen bei welchem UPOV wieder auf der Liste steht, ist das geplante Freihandelsabkommen mit Thailand, wo sich Zivilgesellschaft und bäuerliche Organisationen vehement gegen die UPOV-Regeln wehren. Es geht darum, ihr Recht auf Saatgut und somit ihr Recht auf Nahrung zu verteidigen.

*Die Aktion wurde von Alliance Sud, Fastenaktion, FIAN, HEKS, Public Eye, Swissaid und Uniterre unterstützt.

** Die European Free Trade Association (EFTA) hat vier Mitglieder: Schweiz, Norwegen, Island und Liechtenstein

 Mehr Informationen:

Kontaktpersonen:

Simon Degelo, Verantwortlicher Saatgut und Biodiversität SWISSAID, Tel: 076 824 00 46, s.degelo@swissaid.ch

Nicolas Walder, Nationalrat Grüne, Tel: 079 550 05 13, nicolas.walder@parl.ch

Die Schweiz gefährdet die Saatgutvielfalt in Thailand

Die Schweiz beabsichtigt weiterhin, Entwicklungsländer zu einem restriktiven Sortenschutz zu verpflichten, so wie es zuletzt im Freihandelsabkommen mit Indonesien geschehen ist. Als nächstes könnte es Thailand treffen; mit verheerenden Auswirkungen für die Menschen im Land.  

Nach mehreren Jahren Stillstand, hat die Schweiz gemeinsam mit den anderen EFTA-Staaten die Verhandlungen für ein Handelsabkommen mit Thailand wieder aufgenommen. Das sind schlechte Neuigkeiten für die Bäuerinnen und Bauern in Thailand, denn offenbar drängt die Schweiz auf eine Klausel, die das Land zu einem strengen Sortenschutz gemäss UPOV 91 verpflichtet. Dies würde dazu führen, dass Thailand seinen bestehenden Sortenschutz anpassen müsste. Dadurch würden die Rechte der Bauern und Bäuerinnen eingeschränkt und die Ernährungssicherheit und die reiche Biodiversität des Landes gefährdet.

Um sich über die Verhandlungen und die Realität im Land zu Informieren haben ParlamentarierInnen aus allen EFTA-Ländern vom 5.-9. September Thailand besucht. Dort trafen sie auch Vertreter der Zivilgesellschaft, unter anderem von der Organisation BioThai, welche sie über die Problematik einer Möglichen UPOV-Klausel und der Auswirkungen auf die BäuerInnen im Land informierten.

 

UN-Sonderberichterstatter zum Recht auf Nahrung fordert den Verzicht auf UPOV in Handelsabkommen

Im März 2022 hat der UN-Sonderberichterstatter zum Recht auf Nahrung, Michael Fakhri, seinen Bericht «Saatgut, Recht auf Leben und bäuerliche Rechte» am Menschenrechtsrat vorgestellt. Darin fordert er, dass kein Land durch Handelsabkommen oder auf andere Weise dazu gedrängt werden soll, der UPOV Konvention beizutreten. Zudem fordert er die Staaten nachdrücklich auf, UPOV auch aus den bereits bestehenden Abkommen zu streichen. Das Recht der Bauern und Bäuerinnen, Saatgut für die nächste Aussaat zurückzubehalten, zu tauschen und zu verkaufen, müsse als unteilbares Grundrecht gewährleistet werden und habe Vorrang vor geistigen Eigentumsrechten.

Der Bericht des UN-Sonderberichterstatters zum Recht auf Nahrung ist auf Englisch und Französisch verfügbar. Hier ein Kommentar (Englisch) zu den wichtigsten Empfehlungen aus Sicht zivilgesellschaftlicher Organisationen aus dem Süden und Norden.

Saatgut-Ausstellung in Luzern

Unser Saatgut – die Basis unserer Zivilisation – ist heute stark bedroht. Die Public Eye Regionalgruppe Zentralschweiz zeigt die Ausstellung «Saatgut» in der Luzerner Innenstadt.

Die Ausstellung kann auf einem knapp anderthalbstündigen Rundgang durch Luzern erlebt werden. Auf sechs Plakaten können Sie sich informieren über die Geschichte des Saatguts, die Probleme der heutigen Saatgutindustrie und die Bedeutung der lokalen Saatgutzucht.

Die Vernissage findet am 30. April 2022 statt. Während der gesamten Ausstellungsdauer gibt es ein attraktives Rahmenprogramm mit Veranstaltungen rund um das Thema Saatgut.

Dauer der Ausstellung: Samstag, 30. April 2022 bis Samstag, 14. Mai 2022, an sechs Orten in der Luzerner Innenstadt verteilt.

Mehr Informationen: Webseite Saatgut-Ausstellung

Protestaktion in Genf: Nein zu UPOV und zur Privatisierung von Saatgut

Medienmitteilung der Schweizer Koalition Recht auf Saatgut

Genf, 8. Dezember 2021 – 60 Jahre sind genug: Mit einer Protestaktion haben neun Schweizer Organisationen am Mittwoch in Genf die Abschaffung des Internationalen Verbandes zum Schutz von Pflanzenzüchtungen (UPOV) gefordert. Sie wehren sich damit gegen die Monopolisierung von Saatgut und die Bedrohung der Ernährungssouveränität, welche durch UPOV vorangetrieben wird. Weltweit unterstützen fast 300 Organisationen und Netzwerke den Aufruf.

Aus Anlass des 60. Geburtstags des Verbandes haben sich Aktivist*innen der neun Entwicklungs-, Bauern- und Menschenrechtsorganisationen* am Mittwoch vor dem UPOV-Gebäude in Genf als Nahrungspflanzen verkleidet und sich selbst in Ketten gelegt.  Die Aktion war ein Symbol für die Situation der Bäuerinnen und Bauern, die aufgrund der Sortenschutzgesetze nach UPOV das Saatgut nicht mehr frei verwenden können. Doch genau diese freie Verwendung ist ein zentraler Pfeiler der Ernährungssouveränität und für die Umsetzung des Rechts auf Nahrung sowie ein wichtiger Beitrag zur Erhaltung der Agrobiodiversität.

UPOV wurde 1961 von wenigen europäischen Ländern ins Leben gerufen, um den Pflanzenzüchter*innen die Möglichkeit zu geben, ein patentähnliches geistiges Eigentumsrecht für Saatgut durchzusetzen. Seither wurden die Bestimmungen mehrmals verschärft. Die gegenwärtig gültige Akte von 1991 (UPOV 91) verbietet es Bäuerinnen und Bauern, das mit Sortenschutzrechten versehene Saatgut frei aufzubewahren, zu vermehren, wiederzuverwenden, zu tauschen oder zu verkaufen.

Diese Einschränkung steht im Widerspruch zur UNO-Deklaration über die Rechte von Kleinbauern und -bäuerinnen (UNDROP) und des Internationalen Saatgutvertrages der FAO, in welchen genau diese Aktivitäten als Rechte der Bäuerinnen und Bauern verankert sind. Denn nur wenn sie frei über das Saatgut verfügen können, werden sie ihre Aufgaben für die Nahrungsversorgung eines grossen Teils der Weltbevölkerung sowie für die Erhaltung und Weiterentwicklung von Saatgut auch in Zukunft ausüben können.

Druck auf den Süden

Der zunehmende Druck von Industriestaaten hat in den letzten Jahrzenten dazu geführt, dass vermehrt auch Entwicklungsländer die UPOV-Standards übernehmen mussten. Damit sich noch mehr Länder den Regeln von UPOV 91 unterstellen, üben die Saatgutindustrie, das UPOV-Sekretariat und insbesondere diverse Industriestaaten weiterhin Druck auf die Länder des Südens aus, ihre Gesetzgebung anzupassen und Bauernrechte einzuschränken.

Auch die Schweiz spielt dabei eine unrühmliche Rolle, indem sie in den Freihandelsabkommen der European Free Trade Association (EFTA) die Partnerländer dazu verpflichten will, UPOV beizutreten oder ihre Vorgaben zu übernehmen. Paradoxerweise haben sich die EFTA-Mitglieder Schweiz, Norwegen und Liechtenstein dafür entschieden, die Anforderungen von UPOV 91 in ihren eigenen nationalen Gesetzen nicht zu erfüllen. Von Entwicklungsländern Gesetze zu verlangen, die von ihnen selbst als unangemessen angesehen werden, ist heuchlerisch und ungerecht.

Anstelle von Sortenschutzrechten nach UPOV fordern die NGOs Gesetze, welche den freien Tausch und die Wiederverwendung von Saatgut fördern statt einschränken. Nur auf diese Weise kann die Vielfalt des Saatgutes erhalten und nachhaltig genutzt werden. Und nur mit einer vielfältigen Landwirtschaft können Herausforderungen wie Klimawandel und Ernährungssicherheit gemeistert werden.

*Die Aktion wurde von Alliance Sud, Brot für alle, Fastenopfer, FIAN, HEKS, Public Eye, Swissaid, Uniterre und APBREBES unterstützt.

Mehr Informationen:

Kontaktpersonen:

  • Rudi Berli, président d’Uniterre Genève, berli@uniterre.ch, 078 707 78 83
  • Tina Goethe, Droit à l’alimentation et climat, Pain pour le prochain, goethe@bfa-ppp.ch, 076 516 59 57
  • Delphine Neyaga, Médias et campagnes, Swissaid, neyaga@swissaid.ch, 076 582 76 66

Saatgut-Ausstellung

Unser Saatgut – die Basis unserer Zivilisation – ist heute stark bedroht. Die Public Eye Regionalgruppe Basel und biorespect lancieren deshalb die Ausstellung «Saatgut», die umfassend über die Geschichte des Saatguts, die Probleme der heutigen Saatgutindustrie und die Bedeutung der lokalen Saatgutzucht informiert.

Der öffentliche Raum wird zum Ausstellungs-Raum: Als Informationsträger dienen Kultursäulen, die sich in Gehdistanz zueinander befinden. Die Saatgutausstellung kann auf einem knapp einstündigen Rundgang durch Basel erlebt werden.

Ein Besuch vor Ort lohnt sich: Bei ein paar Stationen werden interessierte BesucherInnen mit Kleinigkeiten zum Mitnehmen belohnt, Informationen dazu befinden sich auf den Themenplakaten. Das Rahmenprogramm mit Veranstaltungen rund um das Thema Saatgut wird im Vorfeld der Ausstellungseröffnung bekannt gegeben und wird natürlich der aktuellen Corona Situation angepasst.

Die Ausstellung ist auch online verfügbar.

Dauer der Ausstellung: Samstag, 17. April 2021 bis Donnerstag, 13. Mai 2021, in ganz Basel verteilt und online.

Mehr Informationen & Online-Ausstellung: Webseite Saatgut-Ausstellung

EFTA beharrt auf UPOV-Klausel in FTA-Verhandlungsmandaten

Call to Action Stop EFTA countries to undermine Farmers' Rights to SeedDie Antwort der EFTA auf den offenen Brief vom Juni 2020, unterstützt von 250 Organisationen weltweit, ist enttäuschend. Obwohl die EFTA Offenheit für unser Anliegen signalisiert, hält sie an der Forderung nach UPOV 91 in Freihandelsabkommen fest. Das Recht auf Saatgut ist damit weiterhin unter Druck

Im Juli 2020 forderten 250 Organisationen aus 60 Ländern die Regierungen der Schweiz, Norwegens und Liechtensteins in einem offenen Brief auf, den Ländern des globalen Südens keine strengen Sortenschutzgesetze gemäss UPOV 91 aufzudrängen. Standards, die sie selbst nicht erfüllen, aber in Freihandelsverhandlungen von den Partnerländern fordern. Im Brief wird verlangt, die Forderung nach UPOV aus ihren Verhandlungsmandaten für zukünftige FTAs zu streichen.

Irreführende Antworten

Fünf Monate später, im Dezember 2020, haben wir einen Antwortbrief der EFTA erhalten, unterzeichnet von Bundesrat Guy Parmelin, Schweizer Wirtschaftsminister und im Jahr 2020 Vorsitzender des EFTA-Rates. Der Brief ist vage formuliert und enthält mehrere Ungenauigkeiten, die die Schweizer Koalition Recht auf Saatgut kommentiert und korrigiert hat.  Positiv bewerten wir, dass die EFTA eine UPOV-Mitgliedschaft bzw. gesetzliche Umsetzung der UPOV Standards nicht als Voraussetzung für den Abschluss eines Freihandelsabkommens erachtet. Ebenfalls begrüssen wir die im Brief erklärte Offenheit der EFTA, alternative Lösungen zu finden, die auch die Situation der Landwirte in den Partnerländern berücksichtigen, die von den bäuerlichen Saatgutsystemen abhängig sind.

Verhandlungsmandat wird angepasst…

Ende Januar 2021 wurde eine Delegation der Schweizer Koalition Recht auf Saatgut, die den offenen Brief initiiert hatte, zu einem Treffen mit den Schweizer Behörden eingeladen. Dort informierten die Regierungsvertreter*innen über eine mögliche Ergänzung des EFTA-Verhandlungsmandats als Reaktion auf die Forderungen der Zivilgesellschaft.

Konkret schlugen sie einen zusätzlichen Artikel über „genetische Ressourcen und traditionelles Wissen“ vor, der sich auf die „Rechte und Pflichten in Bezug auf genetische Ressourcen und damit verbundenes traditionelles Wissen bezieht, wie sie in der Konvention über die biologische Vielfalt, dem Internationalen Vertrag über pflanzengenetische Ressourcen für Ernährung und Landwirtschaft und anderen relevanten internationalen Abkommen festgelegt sind, bei denen sie [die unterzeichnenden Länder] Vertragspartei sind.» Die Umsetzung dieser Vereinbarungen sollte „in einer sich gegenseitig unterstützenden Weise mit den oben in Absatz 1 genannten internationalen Vereinbarungen“ erfolgen – zu denen, laut mündlichen Aussagen, immer noch UPOV 91 zählt.

… aber UPOV 91 bleibt Priorität

Wenn die EFTA in ihrem Verhandlungsmandat jedoch an der Forderung nach einer UPOV-Mitgliedschaft bzw. der Umsetzung der UPOV 91 Standards festhält, ändert ein zusätzlicher Artikel über weitere internationale Abkommen nichts am eigentlichen Problem. Denn eine UPOV-Mitgliedschaft erfordert eine wortwörtliche Umsetzung der Akte in nationales Recht – was bei den anderen Abkommen, auf die der neue Artikel Bezug nimmt, nicht der Fall ist. Die Beibehaltung der UPOV-Anforderung und die Hinzufügung eines neuen Artikels über andere internationale Abkommen eröffnet damit nur neue Konflikte.

Einsatz gegen UPOV geht weiter

Dem grundsätzlichen Anliegen des offenen Briefes wird nach wie vor nicht Rechnung getragen. Die von der EFTA angesprochene Flexibilität, dass UPOV 91 keine Voraussetzung für den Abschluss eines FHA ist, muss aus Sicht der Schweizer Koalition Recht auf Saatgut von Anfang an kommuniziert werden. Wir werden uns daher weiterhin dafür einsetzen, dass die EFTA ihre Forderung nach einer UPOV-Mitgliedschaft bzw. einer Umsetzung der UPOV 91 Standards aus ihrem Verhandlungsmandat streicht. Die bestehenden Doppelstandards sind scheinheilig und unfair und führen zu negativen Auswirkungen auf das Menschenrecht auf Nahrung und die biologische Vielfalt.

Neue Studie zur Umsetzung der UN-Bauernrechtsdeklaration durch die Schweiz

Bauern und Bäuerinnen ernähren die Welt und sind aber in vielen Ländern auch die Hauptbetroffenen von Hunger und extremer Armut. Seit 2018 legt die UN-Deklaration die Rechte der weltweit marginalisierten Kleinbauern und -bäuerinnen fest, auch das Recht auf Saatgut. Eine neue Studie zeigt, dass in der Schweizer Aussenpolitik ein beachtlicher Handlungsbedarf besteht, um die Umsetzung der UN-Deklaration, zu der sich die Schweiz verpflichtet hat, voranzubringen.

Der UN Deklaration widmet sich auch die Tagung zum Welternährungstag 2020 «Bauernrechte in den Mühlen der Wertschöpfungskette». Hier geht es zum Programm.

Schluss mit dem EFTA-Powerplay gegen den Süden!

Medienmitteilung der Schweizer Koalition Recht auf Saatgut

Die Schweiz, Liechtenstein und Norwegen untergraben das Recht auf Saatgut in den Ländern des globalen Südens

Bern, 9. Juli 2020 – 250 Organisationen aus 60 Ländern rufen die Schweiz, Norwegen und Liechtenstein in einem offenen Brief dazu auf, den Ländern des globalen Südens nicht länger strenge Sortenschutzgesetze aufzudrängen, die sie selber nicht erfüllen. Diese Forderung der EFTA-Länder nach strengem Sortenschutz – eine Art Patentschutz auf Saatgut – schränkt den freien Umgang mit Saatgut drastisch zu Lasten der Bäuerinnen und Bauern im globalen Süden ein. Das Recht auf Nahrung, die Ernährungssouveränität und die agrarbiologische Vielfalt sind gefährdet.

250 Organisationen aus der ganzen Welt haben sich aus Sorge um die bäuerlichen Saatgutsysteme, die ein Garant für die agrarbiologische Vielfalt und eine unverzichtbare Ressource für die Züchtung neuer Nutzpflanzen sind, an die Regierungen der Schweiz, Liechtenstein und Norwegen gewandt. Sie verlangen, dass die Forderung nach UPOV-91-kompatiblen Sortenschutzgesetzen aus den Verhandlungsmandaten für künftige Freihandelsabkommen gestrichen werden.

Seit über zwanzig Jahren machen die Länder der Europäischen Freihandelsassoziation EFTA (Island, Liechtenstein, Norwegen, Schweiz) in ihren Freihandelsabkommen Druck auf die Länder des globalen Südens, Sortenschutzrechte gemäss dem internationalen Übereinkommen UPOV 911 einzuführen. Dies hat eine unverhältnismässige Einschränkung der Rechte der Bäuerinnen und Bauern, Saatgut für die nächste Aussaat zurückzubehalten, zu tauschen und zu verkaufen, zur Folge. Und das obwohl die Schweiz, Norwegen und Liechtenstein2, diese Standards in ihrem eigenen Land nicht umsetzen.

Dieser «Double Standard» ist umso stossender, als in den Ländern des Südens die bäuerlichen Saatgutsysteme, die durch die UPOV-Standards in ihren Grundfesten erschüttert werden, eine viel zentralere Bedeutung für die Ernährung und Einkommenssicherung haben als in Europa. Den Ländern des globalen Südens diese Standards aufzuzwingen, die ohne ihre Beteiligung ausgehandelt wurden, ist ein neokoloniales Diktat. Die Länder sollen selbst über Gesetze und Politiken in Bezug auf Saatgut, die ihrem landwirtschaftlichen System und den Bedürfnissen ihrer Bevölkerung entsprechen, entscheiden können.

Aktuell verhandelt die EFTA ein Abkommen mit Malaysia. Im Februar 2020 standen auch intellektuelle Eigentumsrechte inklusive Sortenschutz à la UPOV 91 auf der Agenda. Es ist gerade im Fall Malaysia unverständlich, warum die EFTA-Länder auf UPOV 91 beharren. Das Land verfügt bereits über ein Sortenschutzgesetz, das in einem beschränkten Rahmen auch die Rechte der Bäuerinnen und Bauern auf Saatgut respektiert. Die «Koalition Recht auf Saatgut» hat Mitte Juni gegenüber dem Schweizer Staatssekretariat für Wirtschaft in einer Replik ihre Besorgnis darüber eindringlich dargelegt und dessen Argument ‘Sicherung des Wirtschaftsstandorts Schweiz’ zurückgewiesen.

Der Verzicht auf UPOV Standards in Freihandelsabkommen wäre ein bedeutender Beitrag zur Erreichung der Ziele der Vereinten Nationen für eine nachhaltige Entwicklung, insbesondere dem Ziel Nr.2 (Kein Hunger) und dem Ziel Nr. 15, welches dem Verlust der biologischen Vielfalt ein Ende setzen will.

Für weitere Informationen:

 

1 UPOV = Internationales Übereinkommens zum Schutz von Pflanzenzüchtungen. Die Akte von 1991 wurde von nur 19 Industrieländern des Nordens und Südafrika für ihre eigenen Bedürfnisse verhandelt.

2 Island hat ein nationales Sortenschutzrecht nach UPOV 91 Standards

Seco geht nicht auf die Anliegen der rund 2’400 Bäuerinnen und Bürger ein

Gruppe von Bauern und Bäuerinnen halten Brief ans SEKOIn einer Stellungnahme vom Februar 2020 reagiert das Seco die  über 1’300 Briefe, die es von rund 2’400 Menschen aus 11 Ländern Afrikas, Asiens, Lateinamerikas sowie der Schweiz erhalten hat. Sie fordern vom Seco, in den Freihandelsabkommen der Schweiz zukünftig auf Sortenschutzgesetze à la UPOV91 zu verzichten. In seiner Stellungnahme schreibt das Seco, dass die «Schweiz den Beitritt zu UPOV nicht zur Voraussetzung für den Abschluss eines Freihandelsabkommens» machen würden. Für die Schweizer Koalition Recht auf Saatgut ist diese Behauptung irreführend. Denn die Forderung nach dem Beitritt zu UPOV oder nach einem Sortenschutzgesetz, welches den UPOV ’91 Kriterien entspricht, bleibt eine Grundforderung der Schweiz beim Beginn aller Verhandlungen mit nicht-UPOV Staaten. Sie hält trotz massiver Kritik an dieser Forderung fest, wie nicht zuletzt die vorliegende Stellungnahme zeigt.

Auf das konkrete Anliegen der Briefe, in den laufenden Verhandlungen mit Malaysia auf die Forderung nach UPOV zu verzichten, geht die Stellungnahme nicht ein. Zwar wird dort suggeriert, das Seco sei offen für «Alternativlösungen» zum strengen Sortenschutz à la UPOV91, wie das kürzlich abgeschlossene Abkommen mit Indonesien zeige. Doch verlangt die Schweiz auch von Indonesien die Umsetzung aller «wesentlichen Bestimmungen» von UPOV91 und schränkt damit die Bauernrechte am Saatgut stark ein. Von einer Alternativlösung kann in diesem Fall also nicht die Rede sein.

Bäuerin hält Brief ans SEKOExplizit verweist das Seco auf den Forschungsstandort Schweiz, der «auch in Partnerländern an einem angemessenen Schutz der Rechte an geistigem Eigentum interessiert ist» und macht damit klar, dass sie auch weiterhin die Interessen von kommerziellen und staatlichen Züchter*innen, darunter die marktdominierenden internationalen Agrarkonzerne, höher gewichtet als die Rechte der Bäuerinnen und Bauern. Die Stellungnahme schliesst mit der Bereitschaft des Seco, «den Dialog mit den verschiedenen Interessengruppen weiterzuführen». Die Schweizer Koalition Recht auf Saatgut wird das Gespräch mit dem Seco weiterführen. In einer ausführlichen Replik hat die Koalition Recht auf Saatgut die einzelnen Punkte der Stellungnahme kritisch analysiert.

Download: Replik auf die Stellungnahme des SECO